Abwärts - aus dem Leben einer Personenwaage
Tag 1:
Es geht los. Der 23.4.2018 ist der Start abwärts. So konnte es ja auch nicht weitergehen. Bevor sich beliebige Gegenstände dazu entschließen, in eine Umlaufbahn um meine Hüfte einzutreten, muss ich was tun. Außerdem wird der Körper es mir danken. Glaube ich. Und der Spiegel. Und , und , und… Wie Diäten funktionieren, weiß ich. Ich hab schon mehrere hinter mich gebracht und mich für ein paar Wochen daran gefreut, die Kleider der Vorjahre kurzzeitig wieder tragen zu können. Deswegen bewahre ich sie auch weiter in Umzugskisten auf. Für das nächste Mal. Für ein paar Tage. Aber dieses Mal soll es anders werden. Deshalb wird es keine Diät. Ein guter Freund hat es mir vorgetan und Neid auf die Erfolge anderer ist ein guter Motivator. Was ich ab jetzt mache, muss schlicht normal werden. Vor allem im Kopf. Wenn ich in Situationen gerate, an denen ich kulinarisch schwach werde und die mal gar nicht in den Ernährungsplan passen, muss der Satz in meinem Kopf mit den Worten „Früher hätte ich…“ losgehen und dann sollte ich zufrieden lächeln. So die Theorie.
Also Bestandsaufnahme. 156 kg Scheiß Waage. Ich drohe ihr und messe erneut. Sie bleibt standhaft. Der Tag verläuft entgegen den Erwartungen gut. Da ich der Bevölkerungsgruppe der Nichtmäkler angehöre, finden sich schnell geeignete Nahrungsmittel ohne Kohlehydrate. Sogar das alkoholfreie Bier abends in der Skatrunde hat geschmeckt.
Tag 2:
Das Ei und der Becher Milch zum Frühstück verbreiteten kein Frohlocken, aber es war OK. Ein großer Frühstücker bin ich werktags morgens eh nicht. Es ist ja so, dass man sich bei sowas bewusst wird, wie sehr man sonst an lieben Gewohnheiten gehangen und gar nicht mehr drüber nachgedacht hat, was man da eigentlich gerade macht. Nein, ich bestell eben nicht beim Pizzadienst die fetten Nudeln oder die blöde Pizza. Mein Körper wird heute im Büro keine körperlichen Höchstleistungen vollbringen. (aber geistige :-)) Warum soll er dann essen wie ein Boxer? Der gekörnte Frischkäse mit Paprika und anderem Gemüse grinsen mich aus der Ikea- Tupperdose an. War wider Erwarten lecker und OK. Am Abend hätte ich gern mal ein Brötchen gegessen, aber war nicht. Frische Matjesfilets, Hummus und Paprika. Dazu Wasser. Übrigens weitgehend immer Wasser. Soviel wie im Hahn ist. Stilles Wasser kaufen ist Humbug bei unserer Wasserqualität. Aber Obacht! Die Routenplanung zu Kundenterminen ist bei einer solch flüssigen Planung extrem wichtig. Rastplätze und so! Der Tag lief heute insgesamt so gut, dass ich mir abends zur Beruhigung der Geschmacksknospen zwei Stück Schweitzer Schokolade mit 72 % Kakao gegönnt habe. Passt schoh!
Anmerkung d. Red.: Ich hasse den Grillwagen vor dem Lidl !
Tag 3:
Ich drohe der Waage heute bereits von Weitem. Das ist so ein elektronisches Helferlein in Bambusoptik. Ich hab sie mal gekauft, weil ich trotz der Tatsache, dass mir meine Hose nicht mehr passte, laut meiner alten Waage nicht zugenommen hatte. Es hat ein wenig gedauert, bis mir auffiel dass die Skala zu Ende war. Dieses neue, elektronische Helferlein zeigte an Tag 3 also 154,6 kg. Nu schau. Wird doch. Dann hab ich nochmal am Serrano Schinken gerochen und bin zur Arbeit. Irgendwie war es trotzdem den Tag über etwas knurrig in der Magenhöhle. Da halfen auch alle Gemüse und Öbste nicht. Im Fachhandel für Alles und Diverses ALDI , fand ich dann noch ein Dinkelbrot in Form eines Panettone, das echt gut schmeckte und meinem verarbeitenden Körperbereich das Gefühl der Nutzlosigkeit nahm. Wunderbar.
Tag 4
Eine lange Autofahrt nebst Seminartag und Buffet stehen an. Die Waage warf mir früh um halb 4 Uhr morgens im Bad einen schadenfrohen Blick zu. 154,3. Blöde Kuh! 300 Gramm für so einen Tag? Ich sollte der Waage einen Namen geben. Personalisiert macht Hass viel mehr Spaß. Aber welchen? Digital, in Bambusoptik, flach und lügt. Ich nenne sie Heidi. Und Donnerstags mach ich mich besonders schwer oder besser KLUMpig. So! Auf nach Fulda. Während der Fahrt hatte ich mir Datteltomaten, Möhren, ein Ei und ein kleines, mit Käse belegtes Dinkelbrot mitgenommen. So hat man zu tun und wird früh um 5 nicht müde. Hat funktioniert. Aber der Tag im Hotel war schlimm. Die haben so ne tolle Küche und in allen Pausen steht irgendwas Leckeres, Kleines, zum Vernaschen immer in Griffweite rum. Eh die ersten Fragen kommen. Nein, nicht die Bedienung. Einen Apfel hab ich mir genommen und bin möglichst früh in die Seminarräume zurück, um nicht länger vor dem Backwerk stehen zu müssen. Auf der Heimreise genoß ich dann einen elend langen Stau und hab während dessen den Rest Datteltomaten niedergemacht. Bissl Energie für den Ergometer heut Abend. Bin gespannt, was der morgige Tag so bringt.
Tag 5
Hatte ich erwähnt, dass ich de facto auch fast keinen Alkohol mehr trinke? Noch so ein Stimmungsaufheller. Aber das ist in Ordnung. Jedenfalls habe ich endlich ein wirklich trinkbares, alkoholfreies Bier gefunden, das nicht nur bitter wie aufgebrühter Spitzwegerich oder verdünntes Malzbier schmeckt. Mönchshof naturtrüb alkoholfrei. Und auch das Atlantik Ale von Störtebecker. Sehr zu empfehlen. Nun ist es Morgen und ich trete ins Bad zur flachen Heidi. 154,2 Frechheit. Nach 4 Tagen nur 1,8 kg. Und das bei der Disziplin. Mein Teufelchen ruft nach einem Egg Mc Muffin. Aber nix da. Der Tag wird vergehen wie geplant. Heute freut sich der Magen mittags auf einen Linsensalat, Oliven etwas Käse. Nachmittags noch etwas Hummus mit Roter Beete. Und gaaaanz spät abends steht ein freundliches Glas Rotwein aus dem Öster Reich als Abschluss bereit. Juhu.
Tag 6
Wochenende. Der Spagat aus Versorgung der mäkelnden Familie und gezielt gesundem Essen für mich. Mich stört ja keine Zutat. Nur der Rest des Hauses belässt mit seinem ausgewählten Geschmack dem engagierten Koch ein Rudiment des prallen Warenkorbes zum Verarbeiten. Is halt so. Dem Morgen graut. 154,2 Heidi ist böse. Den Rest des Tages fasse ich kurz zusammen. Schwiegermutter, Rasen mähen, Chinaessen kochen, abmatten.
Tag 7
Es ist Sonntag. Ein Freund hatte mir bestätigt, dass bei seinem Abnehmerfolg auf gleiche Weise eine Woche im Schnitt ein Kilo erbracht hatte. Das ist mir zu wenig. Mir geht es da so wie jedem Autofahrer. Wenn das Navi sagt, dass es bis nach Hause 1 h 31 min sind, dann will ich Minimum in 90 Minuten da sein. Das ist normal. Außerdem fahren wir in 12 Wochen in Urlaub und ich möchte bis dato schon 25 Kilo loswerden. Schließlich geht es an den Strand. So Heidi. Sprich! 154,7. Wie bitte? Dann rutsch mir doch.
Tag 8
Brückentag, also der Montag vor dem 1.Mai. Ich bleib eisern.
Tag 9
Heute geht es nach Hamburg. Für die Fahrt habe ich mir diverse Gemüse und Öbste ins Auto gelegt. So bissl traurig ist das ja, wenn ich nicht wie üblich am Rasthof Fläming halte und mir ein oder zwei selbstgebackene und mit Schmand und Schinken oder was Anderem gefüllte Minibrote kaufe. Ich beiße auf eine Möhre und schaue nach vorn. Die 154,5 von Heidi hab ich überhört. Und heute Abend tu ich das, was ich in Hamburg immer tu. Fisch essen.
Vorher nahm ich mein Hotelzimmer in Beschlag. Im beschaulichen Stadtteil Othmarschen hatte ich ein eher kleines Hotel gebucht. Zum 1. Mai hatte ich wirklich keine Lust, auf St. Pauli oder sonstwo mit „demonstrierenden“ Volldeppen zusammenzugeraten. Als ich im Gästehaus im Garten in mein Zimmer kam, war das Bett nicht gemacht, das Bad dreckig und so weiter. Der Empfangsmensch hatte mir mit einem wohlwollenden Lächeln mitgeteilt, dass man mir eines der schöneren Zimmer geben wolle. Aha. Das ging dann wohl daneben. Ich rief an der Rezeption an und beklagte den Missstand. Er bat mich, vom Gästehaus mit Sack und Pack durch den Regen wieder vor an die Rezeption zu laufen. Ich schlug ihm stattdessen vor, dass er sich in Bewegung setzt und zu mir kommt! Das tat er dann kleinlaut. Ich erhielt ein Zimmer im anderen Haus mit einem riesen Erker, Stuckdecke, dreimal so groß wie das Erste und ich konnte direkt vor der Haustür parken. Geht doch!
Tag 10
Seminartag. Im Hotelzimmer gibt es keine Waage. Dafür danke ich dem Hotelmanagement. Heute wird es schwer. Die Veranstaltung im Hanse Gate an der Elbe beginnt mit einem Imbiss, führt über einen Kaffee zu einem Essen, einem Kaffee und mündet final in einem Buffet. Ich ignoriere die besonders „leckeren “ Sachen und nehme mir ein Glas mit einem gebratenen Stück Huhn am Spießerchen, das in einem kleinen Bodensatz aus Kartoffelsalat mit Essig steckt. Das Huhn ist ein wenig trocken und wurde vor oder nach seinem Ableben schon mal in Balsamico und Pfeffer gewälzt. Um den Schluckvorgang etwas geschmeidiger zu gestalten, nehme ich einen Teelöffel Kartoffelsalat (böse Kohlehydrate) und beginne zu röcheln. Etwas Spitzes hat sich in meinen Rachen gebohrt und ich kann es herauswinden, ohne groß Aufmerksamkeit zu erregen. Es ist ein weißes, an beiden Seiten spitzes, etwa 3 cm großes Stück Hartplaste. So ein Stück, das man aus den Deckeln von Kartoffelsalateimern herausbrechen muss, um den Deckel aufzubekommen. Und das ausgerechnet in meinem Glas. Ein Zeichen! Ich mied den Salat. Die Chefin des Caterings entschuldigte sich hernach in aller Form , aber mir war`s egal. Der Tomatensalat war auch gut. Da ich im Verlauf des Tages das gebotene Backwerk und Dessertangebot mied und auch an dem Buffet spät abends nicht teilnahm, waren die beiden Bio-Äpfel auf der Heimfahrt eine richtige Wonne.
Tag 11
Heidi war wieder da. Zudem war es Donnerstag und ich trat besonders derb auf. 154,3 Mannomann, was für Tippelschritte. Der weitere Tag war gut. Gemüse, Hüttenkäse, Apfel, Paprika, Sellerie, Hummus und Feta mit Zwiebel und Leinöl. Und wehe, wenn Heidi morgen nicht mitspielt!
Tag 15
Tage des Grillens und Feierns liegen hinter uns. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, die Bratwurst mit dem Paprika auf dem Grill zu tauschen und selbige mit Mineralwasser hinunterzuspülen. Also ohne Hopfenanteil. Thüringer Affekthandlung! Ich öffne die Tür zum Sanitärtrakt. Heidi grinst schon blöd. 155,5. Katastrophe. Eine asketische Woche liegt vor mir. Und mittendrin. Christi Himmelfahrt. Prost.
Tag 16
Es ist Dienstag. Ein langer Dienstag. Am Mittag werde ich Salat und Gemüse im Lidl erwerben. Der Sohn hat auch danach gefragt, also sollte ich dreimal so viel kaufen, damit ich was abbekomme. Der pubertäre Magen benötigt Lebensmittel für eine Horde Wandalen und ich rieche nur an der Karte vom Dönerladen und nehme ein Kilo zu. Die Welt ist ungerecht. Ich trete vor Heidi. Sie schaut betreten. 153,7 Nun bin ich überrascht. Der Tag kann kommen. In Salata Mista!
Tag 17
Ich war beim Friseur. 20 Gramm abgenommen.
Tag 18
Christi Himmelfahrt oder Vatertag. Ich entschied mich am Morgen gegen die eigentlich geplante Fahrt mit dem Fahrrad zum 9,4 Kilometer weit entfernten Biergarten in Gera. Erstens wollte ich nicht so zeitig aufstehen und zweitens hatte ich einem Freund versprochen, einen Campingkühlschrank mitzubringen. Da ich ohnehin nur ein Bier und dann Alkoholfreies trinken wollte, war das OK. Das Bistro in der Dornaer Str. ist bekannt für seine tollen Schnitzel. Es gab viele Varianten. Es wurde eines, das sehr dünn aber dafür größer als der Teller war. Das Gemüse bestand aus drei Spiegeleiern. Damit hatte ich auch das Abendessen bereits in einem Stück gebucht. Am Abend kam ich nach Hause, um die Grillparty des minderjährigen Pubertiervolkes im Auge zu behalten. Alles lief gut.
Tag 25
Guten Morgen Heidi. Zicke! 153,9 Der Tag wird hart. Wochentags ist aber alles einfacher. Kein Kochen für die Familie, die tausend Sachen nicht isst, keine Feiern und die Gedanken woanders. Es muss ja mal wieder vorwärts gehen. Äh, abwärts.
Tag 26
Ich will Ergebnisse!
Tag 32
Was bin ich froh, dass diese ganzen Feiertage vorbei sind. Hier ne Bratwurst, da ein Steak, dort ein Grillkäse. Alles sauber flankiert von Feinem aus Hopfen und Trauben in ganz verschiedenen Endprodukten. Und Heidi hat`s gemerkt. Trotzdem 153,0 ! Mittlerweile bin ich auch halbwegs wieder zurück im System. Allerdings plagt der Hunger teils gar böse. Von wegen „mit Gemüse und Wasser geht das schon.“ „Da gewöhnt man sich dran.“ Nix gewöhnen! Ich könnte einen Imbisswagen überfallen. Und wie soll das mit dem ganzen Wasser funktionieren, wenn man zum Kunden fährt? 3 Liter Wasser trinken und beim Kunden das Gespräch in der Gästetoilette führen? Wenn es Wetten dass noch gäbe, könnte ich mittlerweile die Raststätten an der A4 blind nach Geruch bestimmen. Morgen ist Freitag und es steht am Wochenende ein Polterabend an. Da werd ich mal zu Hause mit Radieschen und Gurken „vorglühen“. Mahlzeit!
Tag 257
Gott ist die Zeit verflogen. Es ist der 7.1.2019. Alles auf Anfang. Scheiß Feiertage! Diesmal Weihnachten, Dänemarkurlaub und Silvester.
Die Zahl lautet 153,0.
Tag 627
Mir fallen die Aufzeichnungen wieder in die Hände. Was hab ich denn da geschrieben? Ach ja. ich wollte ja abnehmen. Es ist der 12.1.2020. So kurz nach den Feiertagen auf die Waage zu steigen , ist, wie schon letztes Jahr, keine gute Idee. Ich ziehe die Schuhe aus und versuche es trotzdem. Nichts. Nur ein leichtes knacken und ein Piepton. Ich schaue an mir herunter. Kein Display. Das war der dämliche Staubsaugerroboter. Wer baut die Scheißdinger rund. Wenigstens ist er nicht zerbrochen. Das hätte Ärger gegeben. Das Ding ist ja heilig. Ach ja, ich bin ja auch im Wohnzimmer und es ist nicht der Spiegel vor mir. Ich schaue durchs Wohnzimmerfenster ins Dorf. Dann werde ich wach. Gottseidank nur geträumt. Ab zur richtigen Wage. Draufstellen und Luft anhalten. Heidi zeigt 154,0. Es besteht Hoffnung. Alles auf Anfang. Mal wieder.
Tag 663
Morgen Intervallfasten. Der Intervall geht von nachher 00:00 Uhr bis morgen Mittag gegen 13 Uhr. Mittwoch ist aber Schnitzeltag. Für mich morgen nicht. Was könnte ich essen? Einen eingeschweißten Plastiksalat mit fettem Dressing vom Discounter? Bäh! Mir wird schon was einfallen. Dann ist wieder Intervall. Von 13 Uhr bis 19 Uhr. Und dann wieder bis nächsten Mittag. Die Planerei nervt. Ich muss mich ablenken.
Tag 670
Geh fort mit dem Intervallzeug!
Tag 788
Alles ist anders. Seit Wochen gibt es nun nur noch ein Thema. Corona. Diese Landplage! Heute am 23.5.2020 war ein guter Tag. Kein Mundschutz, maßvolle Verpflegung, Heidi ignoriert. Ich kann diese gehässige Tussi in Bambusoptik nicht mehr sehen. Ich habe den Verdacht, dass sie grinst, wenn ich gehe. Seit Wochen malträtiere ich regelmäßig im Keller das Fitness-Fahrrad, die 5 Kilo- Hanteln, den schwingenden Glasfaserstab oder den Boxsack. Gut, ich hätte immer mal am Abend den Frust-Wein, die Leck-Mich Chips oder die Rutschtmirdochalle-Gummibären weglassen sollen. Aber so gar nix? Sicher hab ich Muskulatur dazugewonnen, aber das honoriert Heidi nicht. Die hat nur absolute Zahlen. Von jetzt an schreib ich alles auf. Die ganz Woche. Hab mir schon ein kleines Notizbuch rausgesucht, das ich mal geschenkt bekommen habe. Wenn man sich bewusst macht, was man isst, dann isst man bewusster und damit auch weniger. Und außerdem , wer schreibt, der bleibt. So heißt es beim Skat und das stimmt. Heidi, wart`s ab!
Tag 789
Es ist Sonntag. Der Kohlrabi auf friesische Art, den es gestern Abend nochmal aufgewärmt gab, hat alle Vorurteile über die Wirkung von Wurzelgemüse auf die menschliche Verdauung mit Nachdruck bestätigt. Ein wohl gewähltes Wort. Es ist früh um halb 10 und das Hovercraft-Syndom ist abgeklungen. Heidi liegt im Bad und tut unschuldig.
Tag 813
Es ist der 9.6.2020. Ein Tag, der motiviert. Sorgen machen ja bekanntlich auch schlank. Vor allem Dauerhafte. Auf der anderen Seite sind schlechte Nachrichten eine Frage des Betrachters!
Tag 814
Rauchen soll ja auch beim Abnehmen helfen. Zudem impft es statistisch gegen Corona und es gibt viel mehr alte Raucher als alte Ärzte. Besonders kubanische.
Tag 815
Fick Dich Heidi! Kein Ergebnis und ich hab keine Zeit. Dann morgen.
Tag 821
Zwei Folgen Ernährungs-Doc`s auf NDR gesehen und dabei 15 km Hometrainer gefahren und ne halbe Stunde Hanteln geschwungen. Geht doch. Hatte Ruhe zu Hause. Mitdarlehensnehmerin war beim Drachentreff, äh Mädchenabend.
Tag 822
Ich habe den Eindruck, dass sich Heidi verstecken will, wenn ich das Bad betrete. Keine Ahnung warum. Meßergebnis heute: 160 kg. Mir ist schlecht. Ich mach Sport und schwinge die Hanteln und kein Erfolg. Im Gegenteil.
Tag 826
Tageszusammenfassung. 1 Ei, zwei Tassen Kaffee ohne Zucker, 1 Liter Wasser, ein Salatherz mit Tomate, Gurke, Oliven, zwei falschen Garnelen und etwas Öl und Balsamico, ein kleines Tütchen Pommes und zwei normale und ein alkoholfreies Bier. Hab ein gutes Gefühl für morgen.
Tag 827
Kein Effekt auf Heidi. Weitermachen!
Tag 829
Es ist „Schlado“, wie der Angestellte sagt. Scheiß langer Donnerstag. Dazu kommt der vermummte Einkauf im Supermarkt, der im Moment gar keinen Spaß macht. Man verliert in einer Stunde aber einen Liter Wasser. Und zwar überall hin. Naja, fast.
Tag 885
Schon seit einiger Zeit läuft die Sache jetzt. Ich hab mehr Zeit für Fitness und bin zurück zum System „früher“. Also „Früher“ …. hätte ich jetzt bei Burger King angehalten, aber jetzt nicht mehr. Und so weiter. Das funktioniert im Kopf. Und als knapp über 49-jähriger muss man wie ein altes Auto auch immer mal zur Durchsicht. Rein, rauf runter , raus und alle Flüssigkeiten. So in etwa. Onkel Doc war zufrieden. Das beruhigt. Und Heidi? Lassen wir sie mal 14 Tage schmoren. Dann wird sie verärgert sein.
Tag 888
Von nun an gibt es ein konkretes Ziel. Es sind noch exakt 4 Wochen bis zum Urlaubsbeginn auf der schönen Insel Römö in Dänemark. 4 Wochen a 4 Kilo. 16 Kilo ist das Ziel bis zum 4.9.2020. Und das nicht nur der Optik, des Wohlbefindens oder des sportlichen Ehrgeizes wegen. Nein! Reiner Selbstschutz. Ich habe weder vor, bei einer Wattwanderung spontan, also quasi wie eine Kirsche im warmen Pudding, im Treibsand des Watts zu enden, noch, mich permanent gegen militante Tierschützer zu wehren, die der Meinung sind, mich an die Wasserkante rollen zu müssen. Zudem möchte ich ja dem Drachenfest auf dem riesigen Lakolk Strand beiwohnen, wo alle Jahre die verwegensten und phantasievollsten Drachen in die stabile Meeresbrise gehängt werden und ich habe nicht vor, alle Nase lang gebeten zu werden, das eine oder andere Luftschiff kurz zu halten, weil der Onkel ja sicher nicht wegfliegt. Egal. Das Ziel ist klar. 16 Kilo. Au Mann. Der Zielstrich liegt bei 141Kilo. Erst mal.
Tag 889
Eine gute Idee ist es, mal wieder schwimmen zu gehen. Besonders Samstagabend bei 30 Grad Außentemperatur, wenn der Normalthüringer vorm Grill auf der Wiese sitzt. Es sollte recht leer in der Halle sein und so war es auch. Mit mir kam eine große Gruppe Menschen afrikanischer Optik in die Halle. Ohne Maske. Auch später in der Halle klappten Regeln wie „nur zwei Personen in die Dusche“ oder „nicht vom Beckenrand springen“ nicht, obwohl sie mittlerweile wohl in Deutsch, Englisch, Suaheli und dem Flaggenalphabet auf Hinweisschildern stehen. Schwimmen war dann optimal. Drei Bahnen zu einer gemacht und darauf dann zwei Schwimmer, die sich das teilen mussten. Das Chlor hat ordentlich gebissen , aber nach zehn Bahnen ging es dann. Ich war längere Zeit nicht mehr schwimmen gewesen und das merkte ich dann auch. Die ersten zehn Bahnen brauchten die Lungen, um sich ans Chlor zu gewöhnen. Bahn elf bis fünfzehn waren optimal. Dann tat das linke Schultergelenk weh. Umstellen auf eine Bahn Brust, eine Bahn altdeutsch Rücken. Und zwar zügig! Durch die breiten Bahnen und die fehlenden Mitschwimmer war das kein Problem. Bahnen 16 bis 25 liefen wieder bestens. Während der Bahnen 26-30 kamen erste Ermüdungserscheinungen auf und nach dem Anschlagen nach Bahn 30 hätte ich mir gern einen Pfleger bestellt. Da man die kräftigen Armbewegungen im Büro eher selten benötigt, war mir schon am Abend klar, dass sich da ein amtlicher Muskelkater anbahnt. Also das Ganze möglichst schnell wiederholen.
Tag 890
Heidi lügt. Keine Veränderung.
Tag 895
Habe mir heute noch einmal das Buch „Ich bin dann mal schlank“ von Patrick Heizmann aus meiner Online-Bibliothek runtergeladen. Gutes Buch. Aber es ist wie mit Allem. Vom Lesen allein, nimmt man noch nicht ab.
Tag 896
Das Grillgut vom Mittagessen muss dringend mittels Bewegung in heiße Luft verwandelt werden. Also werde ich mir nachher wieder die blöden Kontaktlinsen in die Augen schrauben, um im Schwimmbad Menschen erkennen zu können. Obwohl es manches Mal angenehmer wäre, unscharf zu sehen. Und zu hören. Letzteres passiert aber ohnehin, da ich spätestens nach der fünften Bahn das Wasser aus meinem linken Gehörgang nicht mehr rausbekomme. Hoffentlich ist es heute im Hofwiesenchlorbad Gera wieder so leer wie letzten Samstag. Ich freu mich schon.
Tag 897
Ein sportlicher Tag liegt hinter mir und ich betrete heute Heidi nicht. Das Theater genügt mir morgen früh. Bei dem ganzen Sport, der ja durchaus Freude macht, geht mir aber eines nicht aus dem Kopf. Ich bemerke sehr wohl die besser werdenden Passformen meiner Kleidung, bzw. aber auch die enger werdenden Hemden im Schulter-Arm Bereich. Damit einher gehen derzeit leider nicht die Heidi-Zahlen. Das heißt, dass sich Masse mehrheitlich nur verschiebt und wandelt. Wenn ich das zu Ende denke und mir meinen Bauch geografisch im Bereich Schulter-Nacken vorstelle, geht das am Ziel auch vorbei, da ich dann kein Gramm leichter bin aber aussehe wie Quasi-Modo, der einen Amboss als Schlüsselring tragen kann. Ich muss nochmal am System arbeiten.
Tag 962
Schwimmen und weiterer Sport sind mittlerweile normal. Durch Corona ist jetzt auch mehr Platz in der Schwimmhalle und es macht mehr Spaß. Die Bahnen sind besser geregelt und die Anzahl der Leute ist begrenzt. Wenn man dann noch Samstagabend oder Sonntagmittag geht, wenn die Generation Stalingrad vor den Klößen in der guten Stube sitzt, hat man seine Bahn alleine. Nur der numerische Erfolg stellt sich nach wie vor nicht so ein, wie ich mir das wünsche. Es ist mehr ein Masseaustausch. Speck verschwindet und lagert sich als Muskulatur an günstigeren Stellen wieder an. Das ist nur halbe Freude, aber ich will nicht meckern. Trotzdem sagt Heidi 154 kg.
Tag 989
Heute war ein historischer Tag. Der SubSubSubpostbote hat mein Paket an dem Wunschablageort abgelegt. Ich hoffe, nicht geworfen. Vorsichtig durchtrenne ich mit dem Taschenmesser die Klebestreifen des viel zu großen Pakets. Und da erblickt Rainer das Licht der Welt. Und Heidi ist degradiert! Meine neue professionelle Personenwaage mit Körperfettmessung, Wunschgewichtanzeige, farbigem Display, Körperwasseranzeige, Knochengewicht, Zielgewichtseingabe und Athleten-Modus, lässt Heidi im Bad im OG aussehen, wie sie ist. Altmodisch und nervig. Ich suche in der Kellerwohnung einen festen Untergrund für Rainer. Von jetzt an habe ich einen verlässlichen Partner an meiner Seite, der keinen nervigen Unsinn erzählt und alle Sorgen offen mit mir teilt. Ich konzentriere mich und steige Rainer auf den breiten Rücken. Es piept und das Display leuchtet rot. Heidi hat gelogen. 4 kg mehr. Miststück! Und dann noch der blöde Lockdown. Mir fehlt das Schwimmen. Scheiß Corona! Die Elster ist derzeit einfach zu frisch, um zwischen Thieschitz und Bad Köstritz hin und her zu kraulen. Außerdem bleibt man bei dem Wasserstand sicher permanent mit Bauch und Gemächt am Flußgeröll hängen. Und Einbrechen im Hofwiesenbad ist jetzt nicht so einfach. Ein Teufelskreis. Man hockt im Eigenheim und gelenkschonende Sportarten sind nicht erlaubt. Also auf und Hometrainer und Hanteln im Keller bewegen. Dazwischen am Etikett vom Serranoschinken riechen und ein Pipette Rotwein genießen. Das wird ne Adventszeit.
Tag 1021 (19.12.2020)
Seit Wochen sind die Schwimmbäder zu. Es ist frustrierend. Natürlich kann man „walken“ aber das ist so sexy wie Kniestrümpfe oder Fencheltee. Und der Heimtrainer ist auch keine Dauerlösung, weil man sonst nach ein paar Wochen mehr Hornhaut am Hintern als an den Fersen hat. Und nun kommt das blöde Weihachten. Es wird immer gefressen. Entweder aus Höflichkeit oder aus Frust oder aus Langeweile oder einfach weil es auch noch schmeckt. Fürchterlich. Was also tun? Am besten bleibt man in seinem Keller, sucht sich was Kreatives aus, das ordentlich Zeit frisst und trinkt, natürlich ohne Zucker, die Teebeutel des letztjährigen Tee-Weihnachtskalenders aus. Filzen und Töpfern sind aber ausgeschlossen. Ich hab weder Mate-Tee noch Joints zu Hause. Ach und früher hat man sich ja zu Weihnachten vor allem auf Silvester gefreut. Das hat sich dann dieses Jahr auch erledigt.
Tag 1028 (26.12.2020)
Ich habe heute eine Entscheidung getroffen. Seit über 1000 Tagen währt nun diese schwer wiegende (genau lesen!) Achterbahnfahrt. Gestern las ich in einem Fachmagazin, in dem vorn Abnehmtips und hinten Rezepte für Torten zu finden waren, dass Menschen statistisch gesehen über die Weihnachtsfeiertage 0,4 kg – 0,9 kg zunehmen. Rainer sagt, ich hab fast ein Kilo abgenommen. Allerdings hatte dies auch Gründe. Unachtsamkeiten bei der Zubereitung von Getränken und anderen Lebensmitteln helfen hier unbewusst kompetent sehr weiter. So bewirken z.B. das Überdosieren von Aronia Saft oder das verwechseln von Abführtee mit Entspannungstee oder auch ein waffenscheinpflichtig schwarz aufgebrühter Ostfriesentee, dass die sonst in sich ruhende Verdauung das reichliche Weihnachtsessen nicht zu Ablagerung auf den Hüften kommen läßt. Schnell! Gründlich! Stundenlang! Ist auch egal, jedenfalls habe ich über die Feiertage der Statistik entgegenwirkt und freue mich sehr darüber. Und ich habe viel gelernt. Es geht immer nur darum, es zu wollen und es nicht zu vergessen. Dann geht das auch mit den Gewichtsverlusst. Und es darf nicht zum Krampf werden. Insgesamt liege ich nun zwei Kilo unter meinem Anfangswert von 2018. Das ist nicht gut, aber ich beende ja heute nur meine Aufzeichnungen und nicht meinen Plan. Und mit Rainer komme ich auch klar. Ich finde, er ist besser zu ertragen als Heidi. Also dann, ich drücke allen die Daumen, die den gleichen Kampf kämpfen und sich über große und kleine Erfolge freuen. Und immer daran denken, wer zu schwer ist, kann abnehmen, wer bekloppt ist… Tschüß!